Mein Paris

Mein Mittwoch. Mit Kind durch die Metropole

Du suchst einen Nebenjob in Paris? Für den Mittwoch wirst du in Paris immer etwas finden. An diesem Wochentag endet die Schule nämlich mittags und all die berufstätigen Mütter und Väter suchen nach kinderlieben Studenten, die ihre Kleinen bis zum Abend hüten.

Ich stehe vor einer Grundschule nahe Place de Clichy und sehe Matthieu aus der Pforte stiefeln. Ich nehme den Ranzen und seine Hand und wir machen uns auf den Weg: Er hat gleich einen Fechtkurs und danach Geigenunterricht, wohin ich ihn per Bus, Metro und zu Fuß begleite. Im Bus träumt Matthieu vor sich hin und flüstert glasigen Blickes mit seiner Hand. Wir steigen im 8. Arrondissement aus und betreten eine edle Institution, in deren Untergeschoss die Kurse stattfinden. Ich habe eine nette Stunde Wartezeit, die ich in einem weichen Ledersessel in der Eingangshalle verbringe. Herren in Anzügen lesen “Le Monde”. Man trifft sich zu Bridge oder Konferenzen.

Um 3 steuere ich mit Matthieu an der Hand Richtung Metro. Mit seinen acht Jahren ist er schon sehr verständig und hat einen aufmerksamen Geist. Gezielt zieht er mich zu zwei freien Plätzen in der Metro. Er zählt die verbleibenden Stationen herunter, zeigt mir zwischendurch seine Pokémon-Sammelkarten. In einer anderen Welt, farbiger und quirliger, tauchen wir im 18. Arrondissement wieder aus der Metro auf. Wir machen uns einen Weg durch Straßenhändler und laut diskutierende Männergruppen bis zu seiner Musikschule. Mathieu ist sehr bedacht darauf, nicht zu spät zu kommen. Den Plan vom Viertel brauche ich bei seiner Führung nicht einmal. Während er mit seiner in bunte Leinen gekleideten Lehrerin musiziert, nehme ich einen Café nebenan im Institut des Cultures d’Islam.

Innenhof der Musikschule
Im 18. Arrondissement (“Das Hier ist dort”)
Es ist um 5. Noch einmal lotse ich Matthieu durch belebte Metrogänge, um ihn in das Viertel seines Vaters zu bringen. Dort gebe ich ihn ab und sehe ihn in die große, parkettausgelegte Beamtenwohnung verschwinden.
Nach dieser Odyssee mit einer so großen Verantwortung an der Hand komme ich erschöpft nach Hause. Mein Geist quillt von Menschen,
Ampeln und Stationen über. In Paris ist das “Hier” immer “dort”. Ich bin ganz satt von diesem Wechsel… garantiert bis nächsten Mittwoch.

6 Kommentare

  • Anonym

    danke, dass du uns an deinem leben und alltag teilhaben läßt, lyra, an deinen gedanken, beobachtungen und eindrücken.marlene

  • Anonym

    …und wieder diese anrührenden, gänsehautmachenden, hinreißenden fotos! Man hat den Eindruck, dass man dabei ist, bloß der Ton ist komischerweise abgestellt. nochmal Marlene

    • Friederike

      Danke vielmals! bei jedem neuen Artikel zweifle ich, ob, was ich schreibe und fotografiere, von irgendeinem Interesse ist. Dass es ein wenig Atmosphäre rüberbringt, freut mich deswegen sehr!

  • Anonym

    durch deine fotos, deine beschreibungen träume ich mich in deine welt, fühle mich als ob ich mit dir ginge! und das, obwohl die meine welt so anders ist! sehnsucht.
    tini

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