-
DIE SECHSTE JAHRESZEIT
Vor kurzem habe ich irgendwo gelesen, es gäbe gar nicht vier, sondern sechs Jahreszeiten: Mai und Juni als schönster Frühling; Juli und August für heißen Sommer; September und Oktober sind goldener Herbst. Dann kommt mit November und Dezember die Zwischenzeit der allmählichen Erstarrung. Eine Zeit, die die Landschaften versiegelt, die Welt hinter einem Kältevorhang abschließt. Der Winter ist erst mit Januar und Februar wirklich eingesessen. Bis er sich im März und April, der Zwischenzeit der Öffnung und des Taus, wieder erhebt und endlich ganz von dannen macht. Im Januar habe ich genau dieses Gefühl: erst jetzt ist Winter, erst jetzt ist alles so starr, nackt und still. Der Winter ist…
-
WAS BRAUCHST DU
Was sind das für gute Tage. Obwohl mein Puzzle aus Plänen und Ideen noch ziemlich durcheinander vor mir liegt, ist da so ein Vorgespür, dass sich alles fügen wird: durch meine Bemühungen einerseits, durch ein bisschen Glück andererseits. Zwischendurch bin ich endlich mal wieder in die Lyrik abgetaucht (mir ist nach dem Lesen oft, als habe ich mich einmal wieder richtig gut ernährt). Da ist dieses Gedicht, was ich schon vor Monaten entdeckte und wovon mir immer mal Versfetzen durch den Geist gehen. Ein Text, der in wenigen Worten Bände spricht über das Menschsein und die menschlichen, ganz elementaren Bedürfnisse: Ruhe, Schutz, freien Raum, Beziehungen,…
-
DIESE MORGENDE … EIN HERBSTBEGINN.
Angekommen im Wochenende, Zeit, diese Tage revue passieren zu lassen, die zwar zwischen Masterarbeit, Jobben und Zukunftplänen manches Mal erschöpfend, aber auch wunderbar hell, spätsommerlich und belebt sind. In den Straßen unten wimmelt und wuselt es nur so von Schülern, Studenten und geschäftigen Menschen. Überall sind die Terrassen gefüllt, im Jardin du Luxembourg luxt man sich die besten Plätze in der Sonne ab … Die Septembermorgende sind kühl und klar, bevor sie sich langsam erwärmen. Morgens ist man noch so leer innerlich, da kann noch Gutes gesät werden. Wenn ich mir die Zeit nehmen kann, setze ich mich erstmal zum Lesen, Schreiben und Kaffeetrinken auf den Balkon und fülle mich…
-
KAFFEEKRÄNZCHEN A LA PARISIENNE
Letztes Wochenende waren F. und ich mal wieder bei einer unserer höchst freundlichen Nachbarinnen eingeladen. Ganz am Anfang meines Blogs, im Februar, habe ich schon einmal von einem dieser vergnügten Kaffeekränzchen geschrieben (undzwar hier: Klick). C. wohnt fünf Etagen unter uns, wir müssen also nur den Fuß in den Aufzug setzen und stehen schon vor ihrer Türe. Immer gibt es viel zu erzählen. Unsere Bekannte ist in Rente und widmet ihre Zeit voller Leidenschaft ihren Freundschaften, ehrenamtlichen Tätigkeiten, Büchern und kulturellen Ausflügen. So erfahre ich bei unseren “goûters” aus erster Hand, welchen Film man unbedingt im Kino sehen muss, welches Theater im Viertel gerade hochfrequentiert ist oder auch welche Herrschaften…
-
SAMSTAGSKAFFEE # 2
Um einen samstäglichen Kaffee spielt die Sommerzeit ihr Lied. Bei Ninjas virtuellem Kaffeekränzchen reihe ich mich zum zweiten Mal mit ein. Zu Hause bei F. und mir geht es augüstlich zu, ohne Eile und, da Wochenende ist, blau in den Tag hinein. Es hat in den letzten Tagen platzend geregnet und Paris verschwand hinter einem verschwommenen Vorhang, hier und da Lichter und grüne Alleen. Da ich mich unter der Woche vornehmlich mit der Masterarbeit hinterm Schreibtisch verschanze, ist mir so ein Wetter ohnehin willkommen. Ich bin mitten in der Schreibphase, noch gut in der Zeit, aber schnell ermattet vom Springen zwischen unzähligen Quellen und dem möglichst eleganten Verweben von fremdem…
-
DIE FRAGEN LEBEN
“Sie sind so jung, so vor allem Anfang, und ich möchte Sie (…) bitten (…), Geduld zu haben gegen alles Ungelöste in ihrem Herzen und zu versuchen, die Fragen selbst liebzuhaben wie verschlossene Stuben (…). Forschen Sie jetzt nicht nach den Antworten, die Ihnen nicht gegeben werden können, weil Sie sie nicht leben könnten. Und es handelt sich darum, alles zu leben. Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antwort hinein.” – R.M. Rilke “Briefe an einen jungen Dichter” Brief vom 16.07.1903 Die Tage habe ich immer mal wieder in diesen Briefen gelesen. Ich erwische mich oft dabei,…
-
MENSCHEN IN PARIS I
Diesen Post wieder ans Tageslicht geholt, mit dem Gedanken, bald einen dritten Teil zu schießen bzw. zu schreiben… Menschen in der Stadt, en masse, jeden Tag, jede Minute, an jeder Kreuzung, jedem Boulevard. In so viele Gesichter geschaut, über ihre Geschichten gerätselt. Hier sind ein paar der Protagonisten meiner Beobachtungen. Jeder ein Puzzleteil aus dem Mosaik des Stadtlebens. Euch habe ich an der Île Saint Louis gesehen. Es war Februar und ihr habt dort unten an der Seine gesessen. Habt im Duo ein Chanson geträllert, euch dann umgeschaut und angesichts eines kleinen, amüsierten Publikums verlegen gelacht. Sie, Madame et Monsieur, haben sich zufällig in meine Linse gestohlen, als ich das…
-
VON HIMMELN & DÄCHERN – PARIS 16EME
Mehrmals in der Woche nehme ich die Metro 6, um mich zu meinen kleinen Job im 16. Arrondissement zu begeben. Eigentlich ist Metrofahren (im Gegensatz zum Bus) für mich kein besonderes Vergnügen: Eher bin ich nach einer Fahrt erleichtert, Menschenmengen, laute Fahrtgeräusche, merkwürdige Gerüche und zuweilen auch zwielichte Gestalten im muffigen, zugigen Untergrund zurückzulassen. Die Linie 6 allerdings hat die Besonderheit, streckenweise überirdisch zu fahren und das macht vieles wett. Ratternd und oft sonnendurchflutet überquert sie die Seine und bietet einen spektakulären Blick auf den Eiffelturm. Vom linken Seine-Ufer (Rive gauche) geht es hinüber zur Rive droite. Das 16. Arrondissement ist wenig touristisch, sehr wohlhabend und fein. Auf den Caféterrassen…
-
MAI-REGEN
Regen prasselt in langen Fäden auf das Pariser Dächermeer hinunter. Ich bin gerade noch rechtzeitig nach Hause gekommen, bevor der Guss beginnt. In den letzten Tagen hat es das oft gegeben, diese Schauer und ein paar Donnertöne gegen Nachmittag. Ich schiebe mir unseren Allround-Tisch (der tagsüber als mein Arbeits-und Vergnügungsplatz und abends als Esstisch fungiert) bis ans Fenster zum Licht. Das Tippen der Tastatur und das Rasseln des Regens vermischen sich. Früher Nachmittag geht zu spätem Nachmittag über, Teetassen werden ausgetauscht, Dinge aufgeräumt, Radio an- und wieder ausgemacht. Es regnet und das gibt mir diese herrliche Rechtfertigung, drinnen zu sein, eigenzubrödeln, auch wenn draußen in der Großstadt tausend Dinge ohne…
-
PARIS MONTPARNASSE … & ALLTAGSWOCHEN
Ich muss zur Post, zur Bank, zur Bibliothek. Ich muss ein Paket abholen, ein Bahnticket kaufen, etwas im Geschäft umtauschen. Jede Gelegenheit ist mir in den Alltagswochen recht, durch die Straßen von Paris zu laufen und mich unter die Menschen zu mischen. Am Boulevard Montparnasse, der sich an der Grenze vom 6. und 14. Arrondissement entlangschlängelt, geht es geschäftig zu und ich mag es, mich ebenso geschäftig dazu zu gesellen. Immer gibt es auch in den mir vertrauten Vierteln noch tausend Dinge zu entdecken. Ich versuche also, die Perspektive zu schärfen. Es reicht oft schon, den Blick zu heben und die Fassaden hochzuschauen zu Balkonen und Erkern. Die Menükarte vor…