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DIE SECHSTE JAHRESZEIT
Vor kurzem habe ich irgendwo gelesen, es gäbe gar nicht vier, sondern sechs Jahreszeiten: Mai und Juni als schönster Frühling; Juli und August für heißen Sommer; September und Oktober sind goldener Herbst. Dann kommt mit November und Dezember die Zwischenzeit der allmählichen Erstarrung. Eine Zeit, die die Landschaften versiegelt, die Welt hinter einem Kältevorhang abschließt. Der Winter ist erst mit Januar und Februar wirklich eingesessen. Bis er sich im März und April, der Zwischenzeit der Öffnung und des Taus, wieder erhebt und endlich ganz von dannen macht. Im Januar habe ich genau dieses Gefühl: erst jetzt ist Winter, erst jetzt ist alles so starr, nackt und still. Der Winter ist…
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EINE HANDVOLL KULTURTIPPS FÜR PARIS
Das letzte Wochenende war eines mit viel Regen und Spaziergängen in den trockenen Stunden dazwischen. Ich hatte Besuch von meiner lieben Freundin T (mein letzter Besuch bei ihr – klick – liegt schon wieder Monate zurück). Zusammen zogen wir durch Pariser Ecken, in die es mich im Alltag sonst selten führt. Auf unserem Weg lag zum Beispiel das umgestaltete, wiedereröffnete Picasso-Museum im Marais-Viertel. Das letzte Mal war ich dort vor sechs Jahren, als meine Schwester und ich fünf Tage zusammen in Paris verbrachten und uns in gefühlt sämtlichen Pariser Kunstmuseen die Füße wund liefen. Am Samstag Abend huschten T und ich auch noch durch die aktuelle Ausstellung im Musée du…
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ABENDBALLADE UND EIN BISSCHEN CLAUDE MONET
Ein paar Tage vergingen noch mit Besorgungen und Notwendigkeiten und dem Bestehen einer kleinen Herausforderung, die mich der Verwirklichung eines Herzensprojektes ein Stückchen näher bringt. Da ist sie nun, die Zeit nach dem Studium, das Zwischendasein, die Erleichterung und das Plänetüfteln. Zeit für lange Runden allein durch die Viertel und für ein bisschen künstlerisches Flanieren. Da war diese schöne Impressionisten-Ausstellung im Musée du Luxembourg: Gemälde, in die der Blick eintaucht, wo er Farben und Stimmungen fischt, um sie zurück mitten in den eigenen Gemütsspeicher zu betten. Irgendwie hat mich besonders Monet gefesselt, obwohl man ihn doch schon hier und da zu genüge gesehen hat. Es waren gerade nicht die Seerosen…
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MINUIT à PARIS – KLEINER NACHTSPAZIERGANG
Paris wird zur Stadt der Lichter, wenn es dunkelt. Noch sind die Abende ganz lau. Zur Apéritif-Zeit steige ich aus der Métro und geh an all den Terrassen vorbei, wo, eng beieinander, Menschen reden, Gläser klirren, Zigaretten glühen. Wo auch ich ab und zu sitze, denn in Paris verabredet man sich besser draußen, wo das Ambiente schwirrt, als in unseren winzigen Wohnungen, wo das Sofa meist gleichzeitig das Bett ist. Das Wesen der Pariser Straßen wandelt sich bei Nacht. Nichts Schöneres, als jetzt gemächlich unterwegs zu sein. La Rotonde La Rotonde ist ein legendäres Café-Restaurant an der Schnittstelle vom Boulevard Montparnasse/ Boulevard Raspail. Simone de Beauvoir wuchs just in der…
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WENN IN PARIS DER HERBST EINZIEHT
der park altert in milchigem septemberlicht den wegen fallen die verbrannten schuppen auf die schultern unter unsern sohlen knacken die abende kurz auf auf angewinkelten armen lehnt der herbst am sims der stadt Wie konnte ich nur über das lange Jahr, über Sommersehnsüchte und weiße Nächte, vergessen, wie schön der Herbst ist? Herbst, der eigentliche Seelenmonat. Hymne an das Leben, im Vergehen begriffen. Jedes Jahr eine Erinnerung an die Vergänglichkeit und Zerbrechlichkeit aller Dinge, aber keine schmerzhafte, eine versöhnliche. Melancholie ist kein Abgrund, sondern, wie Victor Hugo sagt, das Vergnügen traurig zu sein. In Paris erlebt man den Wechsel der Jahreszeiten am intensivsten in den Parks. Heute war ich…
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PARIS, SO STILL!
Liebes Paris, was bist du still in deinen Gassen an einem Sonntag im August! Dass wir sonntags spazieren gehen, das muss mir F. immer schon vorher versprechen. Raus aus den Alltagsstraßen im Viertel, das man bald wie seine Westentasche kennt. An die Seine, über plätschernde Plätze, durch Tauben und durch Einbahnstraßen, durch die heute kein Auto fährt. Am Wegrand sammle ich Bilder ein, während F. mir vorausgeht … Warte! Seltsam, die Straßen so leer zu sehen. Man fühlt sich beinah wie Zurückgebliebene. Ganz Paris scheint an bretonischen Stränden zu sitzen. Ob es heute Abend wieder Regen gibt? unvorbereitet wie immer stehen wir vor dem Laden “Hier pour demain” in Paris…
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EIN LANGER VIERZEHNTER JULI
Das ist der Tag, an dem Frankreich feiert. Sich an die Revolution erinnert, den Sturm auf die Bastille, die bald darauf ausgerufene Erste République. Es ist ein Tag, an dem ich morgens von Fliegergeräuschen aufwache und von Weitem die pathetische Musik der Paraden hereinweht. Diese feierlichen Aufmärsche auf den Champs Elysées kann man finden, wie man möchte… dass es einen Feiertag mitten im Juli gibt, ist zumindest nicht unangenehm. F. und ich machen uns feiertäglich auf einen langen Spaziergang, wie wir es schon so oft gemacht haben. Einfach losgehen, erzählen, beobachten, bekannte und unbekannte Straßen nehmen, weiter, immer weiter. Wir gehen unser 6.Arrondissement hinunter bis zur Seine, an der wir…
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PARIS 1900… LA BELLE EPOQUE
Schon seit Wochen blinzelte mich dieses Plakat einer großen Ausstellung über das Paris von 1900 im Petit Palais an, wenn ich durch Metrogänge schlenderte. Und schon allein dieses Plakat brachte mich zum Tagträumen. Das Paris der frühen Kabaretts, der feinen Damen mit Hut und Sonnenschirm. Das Paris von Marcel Proust, das der ersten Metros, der ersten Filme, der Kunst- und Literatursalons. Eine Welt im Glauben an Fortschritt, vor den Weltkriegen, vor der großen Entzauberung der Welt. Diese Woche habe ich mich dann endlich in den Bus gesetzt, um die Seine zu überqueren und zum Petit Palais (der, wie der Grand Palais, im Jahr 1900 zur Pariser Weltausstellung erbaut wurde) zur…
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MENSCHEN IN PARIS II
Menschen in der Stadt, en masse, jeden Tag, jede Minute, an jeder Kreuzung, jedem Boulevard. In so viele Gesichter geschaut, über ihre Geschichten gerätselt. Hier sind wieder ein paar der Protagonisten meiner Beobachtungen. Jeder ein Puzzleteil aus dem Mosaik des Stadtlebens. Und zu Teil I geht es hier. Ist der Schuh zu eng oder der Reißverschluss aufgegangen? Ich hatte gerade erst meine Kamera erstanden und mich auf erste Knips-Touren begeben. Im Jardin de Luxembourg, es nieselte und ich war ganz fasziniert davon, die vereinzelten Spaziergänger eilig festzuhalten. Um dann einem gelb durch die Dämmerung leuchtenden Regenschirm nachzuspüren … An der Place Saint Sulpice. Ein Mann mit Aktentasche, ganz schwarz gegen…
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LANGER JUNIABEND
Der letzte Post war ein Befreiungsschlag für die kommende Arbeitsphase und ich gehe sie begleitet von euren guten Worten an. Danke! Freitag ist es also schon wieder. Dann und wann habe ich mich mal wieder ablenken lassen, aber gerade diese Zerstreuungen bleiben mir im Sinn, wenn ich auf die vergangenen Tage zurückblicke. Zum Beispiel kam da eine wunderbare Bücherpost aus Deutschland eingeflattert: Ich habe mir nach längerem Liebäugeln die Literaturzeitschrift Poet bestellt. Und in ihr bin ich versunken in eine dichte, vielfältige Sammlung von zeitgenössischen Texten, in kurze Prosastücke, Lyrik und Kommentare. Dazu liebevolle Illustrationen und ein angenehmes Buchformat. Auch der Poetenladen ist einen virtuellen Besuch wert für den, der…